Manuela Komorek, Spezialistin für Systemische Paartherapie, bereitet gerade den ersten Online- Aufstellungskongress zum Thema Paarbeziehungen vor. Ich sprach mit ihr über ihren Weg dorthin, Beweggründe und Systemaufstellungen.
Was hast Du am Anfang Deines Berufslebens gemacht?
Ich war 16 und lebte in einem Dorf. Mein Wunsch war es, Fotografin zu werden. Es gab im Ort nur einen Fotografen, der hatte aber schon einen Lehrling und das für die nächsten drei Jahre. Damit fiel das für mich aus, und ich wusste nicht so recht, was ich nun lernen sollte. Meine Eltern fanden es nicht so wichtig, welchen Beruf ich ergreife. Mein Vater meinte, bewirb dich doch mal, ich frage den Dr. … Das habe ich getan, wurde angenommen und machte eine Ausbildung als Arzthelferin. Es war für mich eigentlich die Hölle, denn ich war damals sehr schüchtern.. Das erste halbe Jahr war am schlimmsten. Wenn da ein Patient kam, wäre ich gerne im Boden versunken und habe mich zur Kaffeemaschine geflüchtet. Eine Kollegin habe ich sehr bewundert. Die konnte mit Menschen gut umgehen. Und sie konnte auch alles andere, was praktisch zur Arbeit gehörte – Blut abnehmen, röntgen, Kontrastmittel spritzen, eben alles was zu tun war. Ich habe mir gedacht, so will ich werden und eiferte ihr nach. Es gelang mir. Über 10 Jahre habe ich in dem Beruf gearbeitet, erst bei Internisten und dann bei Psychiatern. Eine Zeit lang war ich auch im Büro als Assistenz beschäftigt. Danach machte ich eine Heilpraktikerausbildung und ging in die therapeutische Richtung.
Du hast auch im Filmbusiness gearbeitet? Wie kam es dazu?
Es gab immer zwei berufliche Stränge, die parallel liefen. Bei meinen vielen Aus- und Weiterbildungen musste ich ja auch Geld verdienen. Das ging dann meist über eine Projektassistenz. Durch eine Freundin kam ich ins Art-Departement und hatte da das erste Mal mit Film Kontakt. Über 12 Jahre arbeitete ich als Assistenz der Geschäftsführung. Nebenbei liefen dann die Weiterbildungen in Familien- / Systemaufstellung, als Businesscoach und in Paartherapie. Irgendwie war ich auch auf der Suche.
Fühlst Du Dich angekommen, da wo Du beruflich jetzt bist?
Ja, ich fühle mich da genau richtig, vor allem bei dem Thema Paarbeziehungen und Partnerschaft. Was mich davon abgehalten hatte, gleich damit weiterzugehen, war der Gedanke, ich müsste als Businesscoach in Firmen tätig werden. Da war ich nicht meinem Herzen gefolgt, sondern ließ mich von meinem Kopf leiten. Ich war auf der falschen Spur, auch wenn Existenzgründercoaching ein spannendes Arbeitsfeld war. Es fehlte mir immer etwas. Das Thema Männer und Frauen, Paarbeziehung, das hat mich besonders interessiert.
Bist Du verheiratet?
Ja, (lacht) 15 Jahre, aber das war natürlich nicht alles einfach und gut. Es gab mehrere Etappen. Wir waren zwischendurch getrennt und sind wieder zusammen gekommen. Sicher ist das der Grund, warum mich dieses Thema so fasziniert. Ich habe recht lange gebraucht, um da meinen Weg zu finden. Rein springen, trennen und nochmal versuchen – der zweite Anlauf war dann gut. Zu der Zeit kam auch die Aufstellungsarbeit zum Tragen. Ohne die wären wir wahrscheinlich nicht wieder zusammen gekommen. Ich hatte mich damals getrennt und dachte, es wäre der falsche Mann und es würde alles an ihm liegen. Wir waren drei Jahre auseinander, hatten aber durch den gemeinsamen Sohn immer noch Kontakt. Irgendwann stellten wir fest, das passt ja doch noch. Natürlich auch, weil ich ganz andere Schritte gegangen bin und ganz anders dastand, mich als Frau erlebt habe. Mein Partner ist auch seine Entwicklungsschritte gegangen. So konnten wir nochmal neu anfangen und haben uns dann sogar entschlossen zu heiraten, was wir vorher für Quatsch hielten.
Wie bist Du zur Aufstellungsarbeit gekommen?
Ich wollte immer weiter und war an Menschen interessiert. Ich hatte auch schon die Heilpraktikerausbildung und interessierte mich stark für die Homöopathie. Über diese Seminare kam ich dann an die Aufstellungsarbeit. Und ich bemerkte, da liegt der Schlüssel zu sehr vielen Themen, die mich bewegen. Meine Mutter war an Alzheimer erkrankt und dabei, sich langsam aus der Welt zu verabschieden. Dazu kam das Chaos mit meinen Männern. Während der Trennung von meinem Partner war ich mit einem anderen Mann zusammen und bekam von diesem ein Kind. Ich hatte das Gefühl, ein totales Chaos angerichtet zu haben und so war es letztlich auch. Ich spürte eine innere Einsamkeit und Haltlosigkeit, fühlte mich verloren. Halt habe ich dann in der Aufstellungsarbeit gefunden, weil ich da gesehen habe, wir sind alle verbunden und es gibt kraftvolle Strukturen, in die wir eingebunden sind. Da konnte ich auf einmal fühlen, wo mein richtiger Platz ist, wo ich in meine Kraft komme. Dann war der nächste Schritt ganz einfach, meiner Mutter in ihrem Schicksal zu sehen, ohne als Kind helfen zu wollen, ihr nicht nachzufolgen . Wenn Eltern krank werden, sind Kinder sehr gefährdet den Eltern nachzufolgen. Das ist eine Dynamik, die schwer auszuhalten ist. Da waren die Aufstellungen für mich tatsächlich lebensrettende Maßnahmen, aus dem Sog raus zukommen, in die andere Richtung, also Richtung Leben. Das ist auch ein Grund, warum die Aufstellungsarbeit das Herzstück meiner Arbeit ist. Ich kann und möchte mit dieser Arbeit Paare und Familien und besonders Eltern stärken.
Was sollte man tun, wenn man sich in einer Partnerschaft nicht mehr wohlfühlt?
Es stellt sich die Frage, ist es die Partnerschaft oder ist es in mir? Wo fühle ich mich nicht wohl? Fühle ich mich mit mir wohl? Bin ich klar mit dem, was ich für Wünsche habe oder sind es mehr Vorwürfe an meinen Partner? Wenn ich merke, meine Wünsche sind legitim, die darf ich haben, ich liebe meine Wünsche, aber die haben keinen Platz in dieser Beziehung, die kommen bei meinem Partner nicht an, dann muss ich mich entscheiden. Sind die Wünsche mir wirklich so wichtig, dass ich sage, ich möchte eine Beziehung, die so und so ist. Meinst Du, wir können das gemeinsam erreichen? Z.B. könnte ein Partner eine offene Beziehung wünschen. Das könnte legitim formuliert werden und gibt dem anderen Partner die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Er kann sagen, das kann ich nicht. Dann wissen beide, entweder wird auf die Außenbeziehungen oder auf die Partnerschaft verzichtet. Es kann auch sein, dass der andere Partner diesen Wunsch auch hatte und nun glücklich ist, das einvernehmlich leben zu können.
Was ist die Ursache, wenn jemand in verschiedenen Partnerschaften immer wieder die gleichen Probleme hat?
Wenn ich das Problem in mir trage, meine Wünsche als Vorwurf formuliere, dann kommt das Gleiche wieder. Ich nehme es von einer Partnerschaft in die nächste mit. Es geht oft nicht darum, einen anderen Partner zu suchen, weil die Gefahr groß ist, dass wir mit dem neuen Partner nach einiger Zeit das gleiche Problem haben. Besser ist, stattdessen auf unseren aktuellen Partner ganz neu zuzugehen. Das ist möglich, wenn wir genau hingucken, was unser Anteil an dem Problem ist. Meistens können wir das Problem innerhalb der Beziehung lösen und bei dem aktuellen Partner bleiben.
Es kann aber auch ein Problem im Familiensystem geben. Z.B. wenn sich Paare immer nach einer bestimmten Zeit trennen oder es gibt immer wieder heimliche, außereheliche Beziehungen. Hier geht es darum, ganz genau hinzugucken, ob jemand aus dem Familiensystem fehlt. Das kann eine frühe Liebe vom Vater sein, ein sehr früh gestorbenes Geschwisterchen, ein verheimlichtes, uneheliches Kind, … Es wird also jemand aus dem System ausgeschlossen, obwohl er oder sie dazu gehört. Das kann passieren, wenn der Schmerz über den Verlust sehr groß ist oder aus tiefer Scham. Das Familiensystem sorgt nun dafür, dass immer wieder ähnliche Beziehungsgeschichten passieren. Wird die ausgeschlossene Person in einer Aufstellung endlich gesehen und ins System integriert, hören die Wiederholungen des Problems auf.
Was hält Leute davon ab, die Partnerschaft zu leben, die sie sich eigentlich wünschen?
In langjährigen Partnerschaften gibt es das Phänomen, dass man sich im Verlauf der Zeit immer mehr beschränkt. Es wird eine Harmonie hergestellt, die auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner bleibt. Das ist oft langweilig. Eine Partnerschaft ist wie ein lebender Organismus, der mal mehr Nähe, mal mehr Distanz herstellt. Das auszuhalten, haben wir nicht gelernt. Wir lernen leider in den Schulen ganz falsche Dinge. Wir lernen da auch nicht, dass Beziehung nicht das ist, was man vielleicht im Märchen oder in Filmen sieht, mit Happy End. Beziehungen sind lebendig. Das ist wie bei einer Pflanze. Wenn ich die nicht gieße und pflege wird sie immer kleiner und mickriger. Wenn ich aber etwas dafür tue, dass sie blühen kann, dann habe ich Freude daran. Das kann man lernen. Die Frage ist nur, möchte ich das.
Was ist für das Gelingen einer Partnerschaft wichtig?
Ich glaube, es ist die Entscheidung, ich will diese Partnerschaft. Und vielleicht auch das Bewusstsein dafür, dass Partnerschaft auch Verzicht bedeutet. Wenn man sich für Treue entscheidet, sind die anderen mögliche Partner eben tabu. Natürlich kann man sich auch auf eine Beziehung einigen, in der das nicht erforderlich ist. Grundsätzlich ist ein klares „ja“ wichtig. Daher finde ich Ehe auch schön, dieses ganz klare zueinander bekennen.
Woran liegt es, wenn jemand immer wieder an den gleichen Typ Partner gerät?
Kinder lernen das Lieben von den Eltern und wenn ich es nicht geschafft habe, mich wirklich von den Eltern zu lösen und erwachsen zu werden, suche ich immer nach jemandem, der so ähnlich ist wie meine Eltern, speziell der gegengeschlechtliche Elternteil. Ich bin dann emotional nicht erwachsen geworden und habe mich noch nicht aus dem Gefühl befreit, ein Kind zu sein. Ich glaube dann immer noch, dass ich vom anderen abhängig bin oder ich fühle mich nur dann geliebt, wenn der andere sich in der Art um mich kümmert, wie es die Eltern getan haben.
Was kann man tun, um das zu ändern?
Man kann sich Klarheit über das eigene System verschaffen. Nach meinen Erfahrungen, sind die Familienaufstellungen das effektivste Werkzeug. Ich finde, die Aufstellungsmethode sollte auch in Schulen unterrichtet werden.
Du bereitest gerade einen Online-Aufstellungskongress zum Thema Paarbeziehungen vor. Wie bist Du dazu gekommen? Warum machst Du das?
Das habe ich mich jetzt auch schon ein paar Mal gefragt. (lacht) Es ist wahnsinnig viel Arbeit, aber da ist eben die Begeisterung für diese Methode und ich möchte so gerne vielen Menschen zeigen, was für ein Schatz uns da zur Verfügung steht. Ich hatte mal einen Onlinekongress gesehen und war sofort infiziert. Das wollte ich auch machen. Es waren noch ein paar Schritte zu gehen und nun stecke ich mitten in den Vorbereitungen. Gerade auf dem Weg zu Dir habe ich gedacht, eigentlich ist das wie eine Pilgerreise mit wechselnder Begleitung. Ich lerne selbst nochmal ganz viel dazu, hatte immer wieder Aha-Erlebnisse. Ich fühle mich sehr beschenkt und hoffe, dass ich diesen Schatz auch vielen Menschen zeigen kann.
Was würdest Du gerne gefragt werden?
(überlegt) Da fällt mir jetzt gar nichts ein.
Möchtest Du vielleicht noch etwas mitteilen?
Ja, dass die Menschen, die das interessiert und die sich von Aufstellungen angezogen fühlen, sich trauen. Ich kenne so viele, die sagen, ich habe das mal gehört, ja das interessiert mich, könnte ich mal machen. Macht es! Es lohnt sich.